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Kennzahlen TOMRA (Stand 22.10.2023)
WKN: 872535
Gewinnwachstum 10 Jahre: 9,9 % p.a.
Umsatzwachstum 10 Jahre: 12,2 % p.a.
KGV23e: 25
Dividendenrendite: 2,11%
Marktkapitalisierung: 2,1 Mrd. €
Kurzbeschreibung
Das norwegische Unternehmen TOMRA wurde bereits 1972 von den beiden Brüdern Petter und Tore Planke gegründet, die heute keine nennenswerte Anteil mehr besitzen. Der Name TOMRA leitet sich aus dem norwegischen von Tomflaske („leere Flasche“) und Retur Automat („Rückgabeautomat“) ab. Das Unternehmen hat sich insbesondere auf Sammel-, Sortier- und Recyclinglösungen spezialisiert hat. Zu den Sammellösungen zählen vor allem die Automaten zur Rücknahme von Pfandflaschen. Die Sortierlösungen werden hauptsächlich im Bereich der Nahrungsmittel- und Recyclingindustrie vertrieben. Aktuell beschäftigt TOMRA rund 5.000 Mitarbeiter, die seit 2021 vom CEO Tove Andersen geleitet werden. Seit 1985 ist TOMRA an der Osloer Börse gelistet. Mit 21% der Anteile befinden sich ein Großteil der Aktien im Besitz der Investment AB Latour – einer Investmentgesellschaft des schwedischen Geschäftsmanns Gustaf Douglas. Ansonsten befinden sich noch 7% der Anteile in der Hand des norwegischen Staatsfonds.
Unternehmensübersicht
Geschäftsmodell
Vor einigen Jahren hat TOMRA eine Umstrukturierung durchgeführt wonach das Geschäftsmodell in die drei Sparten Collection, Food und Recycling unterteilt worden ist.
Collection
In diesem Bereich konzentriert sich TOMRA auf die Entwicklung von Automaten und Technologien für die Rücknahme von Pfandflaschen und -behältern. Diese Systeme ermöglichen es Verbrauchern, leere Behälter zurückzugeben und erhalten im Gegenzug eine Rückerstattung oder Belohnung. Dies trägt zur Reduzierung von Abfall und zur Förderung des Recyclings bei.
Der Bereich Collection ist mit einem Umsatzanteil von rund 50% der wichtigste für TOMRA. Im Vergleich zum Vorjahresquartal konnte der Umsatz währungsbereinigt um 11% zulegen. Besonders relevant sind die politischen Entwicklungen weltweit im Bezug auf die Einführung von Pfandsystemen. Als Marktführer in diesem Bereich kann TOMRA von jedem weiteren Land, dass Pfadsysteme einführt profitieren. In der Grafik ist sind einige Länder aufgeführt, in denen TOMRA zukünftig Pfandsysteme verkaufen könnte.
Recycling
TOMRA bietet Lösungen für die Lebensmittelverarbeitungsindustrie an. Hierbei werden optische Sortiersysteme und Technologien zur Qualitätskontrolle von Lebensmitteln eingesetzt. Diese Systeme helfen Herstellern, die Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln zu gewährleisten, Produktionsverluste zu minimieren und die Effizienz in der Lebensmittelverarbeitung zu steigern.
Auch in diesem Segment konnte TOMRA die Umsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal währungsbereinigt um 14% zulegen. Insgesamt läuft das Geschäft im Recycling solide, wobei nun das zweite Quartal in Folge ein Auftragsrückgang zu verkraften ist.
Food
Im Recycling-Bereich entwickelt TOMRA Sortier- und Recyclingtechnologien, die dazu beitragen, Abfälle zu reduzieren und wertvolle Ressourcen zurückzugewinnen. Dazu gehören beispielsweise Sortiersysteme für Papier, Kunststoff, Glas und Metalle. Diese Systeme optimieren die Trennung und Wiederverwertung von Abfallmaterialien und tragen so zur Schonung der Umwelt bei.
Leider macht der Bereich Food aktuell etwas Sorgen. Die Umsätze sind währungsbereinigt um 18% gesunken. Dies führte zu einem Verlust von 34 Mio. NOK. Außerdem sind die Aufträge im dritten Quartal eingebrochen und lagen auf dem tiefsten Stand seit der Coronapandemie. Aufgrund der schwierigen Marktsituation wegen schlechten Ernten und einer schwachen wirtschaftlichen Lage, sah TOMRA sich dazu veranlasst Maßnahmen zur Kostenreduktion durchzuführen. Dies soll bis zu 350 Mio. NOK einsparen und die Sparte wieder in den Gewinn führen.
Umsatz- und Gewinnentwicklung
In den vergangenen Jahren konnte TOMRA seinen Umsatz kontinuierlich und zuverlässig steigern. Auf Sicht von 10 Jahren konnten jährliche Zuwächse im Bereich von 10% verbucht werden. Die Netto-Marge lag im gleichen Zeitraum immer im Bereich der Marke von 10%. Für das Jahr 2023 erwarten Analysten einen Umsatz von 14,5 Mrd. NOK, nachdem der Wert im Vorjahr noch bei 12,2 Mrd. NOK lag. Dabei müssen jedoch positive Währungseffekte berücksichtigt werden. Währungsbereinigt fällt der Zuwachs deutlich niedriger aus.
Ähnlich wie beim Umsatz konnte auch der Gewinn von TOMRA in der Vergangenheit sukzessive erhöht werden. Nachdem es 2021 zu einem sehr guten Ergebnis aufgrund von Nachholeffekten aus der Coronapandemie kam, stagnierte der Zuwachs beim Gewinn seitdem. Laut Analysten wird der Gewinn für das laufende Jahr etwas mehr als 1 Mrd. NOK betragen. Damit wird das Ergebnis minimal schlechter ausfallen als im Vorjahr. Für die kommenden Jahre erwarten Analysten einen deutlichen Zuwachs beim Gewinn, der vor allem auf steigende Margen zurückzuführen ist.
Aktuelle Entwicklung
Auf den ersten Blick sehen die Quartalszahlen von TOMRA gar nicht so verkehrt aus. Wie wir bei der Betrachtung der einzelnen Geschäftsbereiche schon gesehen haben, ist dies jedoch auch auf positive Währungseffekte zurückzuführen. Durch die Abwertung der norwegischen Krone (fast 15% in einem Jahr) lagen die Umsätze deutlich höher, da ein Großteil der Umsätze außerhalb von Norwegen erzielt werden. Dennoch ist es zunächst positiv festzuhalten, dass die Umsätze deutlich gestiegen sind, aber man muss bedenken, dass die Währungseffekte auch in die andere Richtung ausschlagen können. Ein weiteres Problem ist der rückläufige Auftragseingang. Dies trifft besonders die Bereiche Recycling und Foods. Die Auftragsbücher sind zwar weiterhin gut gefüllt, aber trotzdem ist dies mittelfristig kein gutes Zeichen. Im Bereich Foods sank der Auftragseingang um 29% gegenüber dem Vorjahresquartal und im Bereich Recycling 13%. Dies ist einer der Hauptgründe warum das Zahlenwerk schlecht ankam und es zu einem Kurssturz von knapp 20% kam.
Cyberangriff auf TOMRA
Am 16. Juli 2023 war TOMRA Opfer von einem schwerwiegenden Cyberangriff. Dabei wurden sowohl interne IT Systeme als auch die Domain von TOMRA attackiert. Zwar wurde schnell auf den Vorfall reagiert, aber sowohl die internen Abläufe als auch die Kundenzugriffe waren über einen längeren Zeitraum gestört. Glücklicherweise sind keine vertraulichen Daten gestohlen worden. Der Cyberangriff auf TOMRA hat viele Abläufe durcheinander gebracht und insgesamt Kosten in Höhe von 120 Mio. NOK verursacht, die im dritten Quartal 2023 als Verlust ausgewiesen werden mussten. Problematisch für TOMRA war auch die fehlende Möglichkeit Rechnungen an die Kunden auszustellen, so dass sich Zahlungen verzögert haben. Dies ist einer der Gründe warum es zu einem negativen Cashflow im vergangenen Quartal gekommen ist. TOMRA erwartet weitere negative finanzielle Einflüsse im vierten Quartal, die auf den Cyberangriff zurückzuführen ist.
Finanzen
Die finanzielle Situation von TOMRA sieht aktuell noch etwas schlechter aus als noch vor zwei Jahren. Die verzinsten Schulden liegen mittlerweile bei 4,8 Mrd. NOK während die Cashposition bei lediglich rund 500 Mio. NOK beträgt. Aktuell liegt die jährliche Tilgungskraft im negativen Bereich, was auf die zuvor beschriebenen Auswirkungen vom Cyberangriff auf TOMRA zurückzuführen ist. Der negativen Tilgungskraft von -865 Mio. NOK stehen noch nicht verbuchte Einnahmen von rund 1,08 Mrd. NOK gegenüber. Somit ist dieser Wert als eher nicht kritisch zu sehen. Problematischer könnte eher die Schuldenstruktur sein. Im Jahr 2025 wird etwa die Hälfte der Schulden (rund 2 Mrd. NOK) fällig und müssen refinanziert werden. Dies könnte aufgrund der gestiegenen Zinsen zu höheren Kosten führen, je nachdem wie sich die Zinsen bis dahin entwickeln.
Ist die Dividende sicher?
Bisher war die Dividende von TOMRA als relativ sicher anzusehen, da diese vom Free-Cashflow mehr als gedeckt war. Aufgrund vom Cyberangriff auf TOMRA und den damit verbundenen Probleme mit dem Cashflow, ist die Dividende im aktuellen Geschäftsjahr nicht gedeckt. Dies wird sich jedoch im Jahr 2024 wieder ändern. Aktuell liegt die Dividendenrendite bei 2,11% und in den letzten 10 Jahren konnte die Dividende jährlich um 11,4% erhöht werden. Insgesamt ist die Dividende als sicher anzusehen.
Investmentgedanken / Chancen
Weltweites Plastikmüllproblem
Die jährliche Menge an Plastikmüll wächst rapide und wird bis 2025 voraussichtlich um 70% im Vergleich zu 2010 ansteigen. Über 30% dieses Mülls gelangt in die Natur, was die alarmierende Vorhersage nahelegt, dass bis 2050 mehr Plastik als Fisch in den Ozeanen schwimmen wird. Etwa die Hälfte des Plastikmülls ist recycelbar. TOMRA bietet fortschrittliche Sortierlösungen zur Mülltrennung und Steigerung der Recyclingquote, was insbesondere in Schwellenländern sehr relevant ist.
TOMRA profitiert von der weltweiten Ausweitung von Pfandsystemen. Deutschland beherbergt bereits den größten Markt für Pfandrücknahme-Automaten, und die EU hat das Ziel, bis 2029 90% der Einwegflaschen zurückzunehmen. In Europa und darüber hinaus wird der Markt für Pfandsysteme weiter wachsen, und TOMRA, als weltweiter Marktführer, wird davon profitieren.
Steigende Ressourcenknappheit
Neben der Herausforderung des Plastikmüllproblems steht die Menschheit aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung vor zusätzlichen Problemen im Hinblick auf die Verfügbarkeit von Ressourcen in verschiedenen Bereichen. Gegenwärtig befinden wir uns in einer Zeit, in der mehr Ressourcen als je zuvor verbraucht werden. Dies ist einerseits auf die steigende Weltbevölkerung und andererseits auf den höheren Pro-Kopf-Konsum zurückzuführen. Die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Rohstoffen wird weiter zunehmen, weshalb die Implementierung von Sortierlösungen von TOMRA in vielen Bereichen die Effizienz steigern kann. Da die weltweite Anbaufläche begrenzt ist, müssen alternative Wege erschlossen werden, um die Produktionskapazitäten zu erhöhen. Alle von TOMRA angebotenen Lösungen sind darauf ausgerichtet, Ressourcen zu schonen und die Nachhaltigkeit zu fördern.
Risiken
Währungsrisiken
Bei TOMRA handelt es sich um ein norwegisches Unternehmen und bilanziert dementsprechend in der lokalen Währung – der norwegischen Krone. Problematisch an dieser Stelle ist, dass die Umsätze fast ausschließlich in Fremdwährungen generiert werden. Etwa 50% der Umsätze werden in Euro erzielt, 30% in US-Dollar und 20% in anderen Währungen. Daher spielt der Wechselkurs der norwegischen Krone gegenüber den Währungen eine wichtige Rolle. TOMRA muss sich gegenüber diesem Wechselkursrisiko absichern was zu etwas höheren Kosten führt. Dennoch hat der Wechselkurs einen erheblichen Einfluss auf den Umsatz und den Gewinn, wie wir bereits zuvor bei den Quartalszahlen gesehen haben. Dies kann in beide Richtungen ausschlagen und zu einer erhöhten Volatilität sorgen. Aktuell profitiert TOMRA von der schwachen norwegischen Krone, aber dies kann sich auch wieder ändern.
Konjunkturabhängigkeit
Bei TOMRA handelt es sich um ein Industrieunternehmen, dass einer gewissen Abhängigkeit zur Konjunktur unterliegt. Einerseits können selbst in schwachen wirtschaftlichen Zeiten Umsätze durch Reparatur- und Servicedienstleistungen erzielt werden, aber andererseits werden in einer solchen Phase weniger neue Maschinen verkauft. Dies zeigt sich aktuell wieder durch den Auftragsrückgang in den Bereichen Recycling und Foods. Ein anderer Einfluss im Bereich Foods sind schlechte Ernten. Dies führt zu geringeren Serviceeinkünften und auch zu geringeren Absatz neuer Maschinen.
Ist die TOMRA Aktie nun unterbewertet? (Stand 17.02.2024)
Fundamentale Bewertung
Fundamental gesehen war die Aktie von Tomra in den letzten Jahren ziemlich hoch bewertet. Der durchschnittliche historische bereinigte KGV lag bei etwa 38. Dieser liegt zwar aktuell mit 36 darunter, aber dadurch ist die Aktie von Tomra noch lange nicht unterbewertet oder gar ein Kauf. Die deutliche Übertreibung der letzten Jahre hat diesen Wert mit hoher Wahrscheinlichkeit verzerrt. Für ein Unternehmen in der Industrie sind diese hohen Werte bei einem jährlichen Gewinnwachstum von etwa 11% in den letzten 10 Jahren einfach nicht zu rechtfertigen. Zwar gehen Analysten von einem weiterhin hohen Wachstum bei Gewinn und Umsatz, aber wir haben in den vergangenen zwei Jahren gesehen wie schnell sich das Blatt wenden kann. Würde man den fairen bereinigten KGV bei einem realistischeren Wert von 25 ansetzen, dann würde die Aktie von Tomra erst Ende 2025 fair bewertet sein. In jedem Fall ist die Aktie von Tomra so günstig wie lange nicht mehr zu haben, weshalb sich ein langfristiger Kauf durchaus attraktiv werden könnte.
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Technische Analyse
Nach dem Allzeithoch Anfang 2022 ging es für die Aktie von Tomra in der Spitze um 75% abwärts. Da es zuvor zu einem relativ starken Anstieg ohne größere Rücksetzer kam, hat sich die Aktie schwer getan einen Boden zu finden, da es nicht wirklich viele relevante Unterstützungszonen gab. Die einzige relevante Zone bei etwa 150 NOK konnte leider nicht gehalten werden. Seit dem Tief Ende 2023 ging wieder etwas aufwärts und zunächst scheiterte die Aktie an dem Widerstand bei etwa 125 NOK. Nach den Quartalzahlen kam es zu einer Kursexplosion, die wir uns im Tageschart genauer ansehen.
Nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen schoss die Aktie von Tomra um 30% nach oben. Besonders bullisch ist der Anstieg über die Zone bei 125 NOK. Legt man eine Fibonacci-Projektion an, wäre das erste Kursziel die 1er-Projektion bei etwa 143 NOK. Damit ein gesunder Aufwärtstrend etabliert werden kann, wäre in den nächsten Wochen eine kleine Korrektur notwendig. Ein besonders bullisches Signal wäre es, wenn die genannte Zone nicht mehr nachhaltig unterschritten wird. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass es eine Korrektur bis in die offene Gap hinein gibt. Damit der etablierte Aufwärtstrend erhalten bleibt, darf es keinen Rücksetzer mehr unter die Marke von 95 NOK geben.
Fazit zur Tomra Aktie
Nach einigen schwachen Quartalen und einem entsprechenden Absturz der Aktie, sieht es nun wieder deutlich besser aus. Tomra konnte viele neue Aufträge einsammeln und im vergangenen Quartal überraschen. Umsatz und Gewinn lagen über den Erwartungen und das Unternehmen scheint die Durststrecke überwunden zu haben. Die allgemeinen Aussichten der Branche und die gute Marktstellung lassen auf bessere Zeiten für Investoren hoffen. Fundamental war die Aktie in der Vergangenheit immer ziemlich teuer und das gilt heute immer noch. Aufgrund der Analystenschätzungen für die kommenden Jahre scheint die aktuelle Bewertung der Aktie in etwa fair zu sein. Aus technischer Sicht hat sich das Bild ebenfalls aufgehellt. Ein möglicher Einstieg könnte sich in der nächsten kurzfristigen Korrektur bieten. Sofern die Aktie vom Tomra eine entsprechende Reaktion zeigt würde sich ein Kauf anbieten. Alternativ bietet sich auf dem aktuellen Niveau ein Einstieg via Sparplan an.