Im Gegensatz zu anderen großen Industrienationen kann Deutschland nur wenig Unternehmen mit einer hohen Marktkapitalisierung aufweisen. Lange Zeit war das Software-Unternehmen SAP eine positive Ausnahme. Seit einigen Jahren kommt die Aktie nicht mehr so recht vom Fleck und notiert auf einem ähnlichen Stand wie 2018. Die Transformation des Geschäftsmodells in Richtung Cloud gestaltet sich schwieriger als zunächst angenommen. Spätestens im Oktober 2020 ist dies klar geworden, als die Aktie ein Viertel ihres Wertes verlor, nachdem die Prognosen einkassiert worden sind. Seit meiner letzten Analyse hat sich einiges getan, so dass sich eine erneute ausführliche Betrachtung anbietet.
Inhaltsverzeichnis
Kennzahlen SAP
WKN: 716460
Gewinnwachstum 10 Jahre: 3,7% p.a.
Umsatzwachstum 10 Jahre: 6,5% p.a.
KGV22e: 32
Dividendenrendite: 2,91%
Marktkapitalisierung: 98 Mrd. €
Kurzbeschreibung
Das deutsche Software-Unternehmen SAP wurde 1972 von fünf ehemaligen Mitarbeitern von IBM gegründet. Die beiden bekanntesten Gründer dürften Dietmar Hopp und Hasso Plattner sein, die weiterhin 5,1% bzw. 6,6% der Anteile am Unternehmen halten. Zusätzlich fungiert Hasso Plattner als Aufsichtsratsvorsitzender. Der Hauptsitz von SAP befindet sich in Walldorf in Baden-Württemberg. Das Produktportfolio umfasst hauptsächlich Softwarelösungen für Geschäftskunden jeder Größe. Im Fokus steht dabei die Digitalisierung sämtlicher Geschäftsprozesse eines Unternehmens. Seit 1988 ist SAP an der Frankfurter Börse gelistet und seit 1995 ohne Unterbrechung Mitglied des deutschen Leitindex DAX. Aktuell beschäftigt SAP weltweit etwa 107.000 Mitarbeiter und wird seit Ende 2019 durch Christian Klein geleitet. Zunächst bildete Christian Klein zusammen mit Jennifer Morgan eine Doppelspitze, die jedoch nur bis April 2020 Bestand hatte. Seitdem führt Christian Klein SAP alleine.
Unternehmensübersicht
Geschäftsmodell
Wie bereits in der Einleitung erwähnt basiert das Geschäftsmodell auf Softwarelösungen im B2B Bereich. Dabei handelt es sich hauptsächlich um ERP (Enterprise-Ressource-Planning) und CRM (Customer-Relationship-Management) Systeme, die als Standardsoftware vertrieben werden. Für die Anpassung an die jeweiligen Geschäftsprozesse sind die Kunden selber verantwortlich. Größere Kunden setzen in der Regel entweder den Service von SAP oder auf externe SAP-Berater. Die SAP Software zielt auf die Digitalisierung der Geschäftsprozesse eines Unternehmens wie Buchführung, Controlling, Vertrieb, Lagerhaltung etc. ab. In den letzten Jahren legte SAP einen großen Fokus darauf das Angebot im Bereich der Cloud zu erweitern, worauf wir gleich einen genaueren Blick werfen. Einen Überblick der verschiedenen Geschäftsbereich ist der Webseite von SAP zu entnehmen, die auch in der folgenden Grafik zu sehen ist.
Cloud
Vor einigen Jahren hat SAP erkannt, dass das bisherige Geschäftsmodell zukünftig in Gefahr geraten könnte. Daher investierte SAP große Summen in den Ausbau des Geschäfts in der Cloud. Dadurch können Kunden nun wählen, ob sie die SAP Software extern in der SAP Cloud, lokal im eigenen Firmennetz oder in einer Hybrid-Lösung betreiben. Der Vorteil für SAP beim Angebot der Softwarelösungen in der eigenen Cloud, liegt in der Erhöhung der wiederkehrenden Umsätze und der einfacheren Wartbarkeit und Skalierbarkeit der eigenen Software. Das Cloudgeschäft zeigte sich in den letzten Jahren als der Wachstumstreiber von SAP. In den letzten Jahren konnten die Umsätze mit der Cloud jährlich im zweistelligen Prozentbereich gesteigert werden.
Selbst unter den aktuell schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen lagen die Cloudumsätze im zweiten Quartal über 30 Prozent höher als im Vorjahr. Andere Geschäftsbereiche wuchsen weniger stark oder mussten sogar rückläufige Umsätze verzeichnen. Besonders erfreulich ist, dass der Zuwachs weltweit verteilt ist und sich nicht nur auf bestimmte Regionen fokussiert.
Aktuelle Geschäftsentwicklung
Der Krieg in der Ukraine hat auch das Geschäft von SAP beeinflusst. Die Aufgabe des Geschäftes in Russland und Belarus sorgten für negative Einmaleffekte, die sich entsprechend auf das Quartalsergebnis ausgewirkt hat. Der Vertrieb und die Clouddienste wurden dort komplett eingestellt Zusätzlich entfielen etwa 1,5% des Gesamtumsatzes auf diese Regionen, die nun weggefallen sind. Dennoch schaffte es SAP dank des Wachstums mit der Cloud den Umsatz zu steigern. Der Gewinn sank jedoch aufgrund der Sondereffekte um etwa 30 Prozent im Vergleich zu 2021.
Trotz des durchwachsenen zweiten Quartals liest sich der Ausblick für das Geschäftsjahr 2022 gut. Die Cloud soll weiterhin stark wachsen und damit auch der Anteil der wiederkehrenden Umsätze. Der Umsatz soll leicht oberhalb des Vorjahres liegen und das operative Ergebnis etwas unterhalb. Ebenfalls positiv hervorzuheben ist das Bestreben die CO2-Emissionen weiter zu senken. Hier liegt SAP deutlich unter dem Wert von 2021. Sofern die Schätzungen eingehalten werden, kann man im Anbetracht der wirtschaftlichen Voraussetzungen immer noch von einem soliden Geschäftsjahr reden.
Konkurrenz
SAP ist seit vielen Jahren Marktführer im Bereich der ERP-Systeme. Hier hat man einen komfortablen Vorsprung gegenüber den direkten Konkurrenten wie Oracle oder Microsoft. Aufgrund langfristiger Verträge und einer hohen Kundenbindung, sollte SAP zukünftig weiterhin einer der größten Anbieter bleiben. Anders sieht es hingegen in den Bereichen Cloud und CRM aus. Als Cloudanbieter konkurriert man mit Amazon AWS, Microsoft Azure und den anderen großen Anbietern. Dort besteht natürlich die Gefahr auf der Strecke zu bleiben. Außerdem sollte man die aufkommende Konkurrenz im CRM Bereich beachten. Dort hat das amerikanische Unternehmen Salesforce den etablierten Unternehmen mittlerweile deutlich den Rang abgelaufen. Salesforce ist mit seinen cloudbasierten CRM-Lösungen klarer Marktführer. Langfristig sollte man diese Entwicklung der Konkurrenzsituation im Auge behalten.
Umsatz- und Gewinnentwicklung
Das Geschäftsmodell von SAP zeigte sich in den letzten 20 Jahren als sehr stabil. Der Umsatz konnte Jahr für Jahr mit wenigen Ausnahmen stetig gesteigert werden. Selbst in der Finanzkrise und der Coronakrise, ging der Umsatz nur leicht zurück. Langfristig ist der Umsatz jährlich um etwa 7% angewachsen. Auch die Margen zeigten sich sehr stabil. Die Brutto-Marge liegt seit Jahren über 70% und die operative Marge schwankt um die Marke von 30%.
Der Zuwachs beim Gewinn und Free-Cashflow verlief etwas weniger stetig als beim Umsatz. Dies lag an diversen Sondereffekten wie Übernahmen oder Abschreibungen, die zum Geschäft von SAP dazugehören. Dennoch ist auch hier eine langfristige Aufwärtstendenz zu erkennen. Wie bei der Betrachtung der Quartalszahlen und des Ausblickes schon gesehen, erwartet SAP für das laufende Jahr aufgrund einiger Sondereffekte einen Rückgang beim Gewinn. Für die kommenden Jahre gehen die Analystenschätzungen jedoch wieder von Zuwächsen beim Gewinn aus. Außerdem zeichnet sich SAP als zuverlässiger Dividendenzahler aus. Die Dividende wurde seit 28 Jahren nicht gesenkt und die Ausschüttungen konnten stets durch den Free-Cashflow gedeckt werden.
Finanzen
Insgesamt kann man die finanzielle Situation von SAP als solide bezeichnen. Den zinstragenden Schulden in Höhe von 13,8 Mrd.€ steht eine Cash Position von etwa 8,5 Mrd.€ und eine jährliche Tilgungskraft von 1,2 Mrd.€ gegenüber. Positiv hervorzuheben ist, dass die zinstragenden Schulden in den letzten Jahren um 2 Mrd.€ reduziert werden konnten. Die gute finanzielle Lage wird durch die Erweiterung des Aktienrückkaufprogramms untermauert. Bis Ende des Jahres sollen Aktien im Wert von 500 Mio.€ zurückgekauft werden.
Das größte Risiko in der Bilanz von SAP ist jedoch der Goodwill in Höhe von rund 34 Mrd.€. Durch die vielen Übernahmen in den letzten Jahren ist dieser stetig angewachsen. Größte Übernahme war der Zukauf von Qualtrics 2018 für 8 Mrd.$. Im Softwarebereich ist die Bewertung von immateriellen Werten oftmals eher schwierig. Daher könnte es zukünftig durchaus zu Abschreibungen kommen. Dies sollte jedem Investor bei SAP bewusst sein.
Investmentgedanken / Chancen
Umstellung auf Cloud- und Abomodell
Bei der Beschreibung des Geschäftsmodells haben wir bereits einen ausführlichen Blick auf die Entwicklung des Cloudgeschäfts von SAP geworfen. Initial sind die Kosten zwar hoch, aber langfristig ist die Cloud eine der größten Chancen für SAP. Die aktuellen Wachstumszahlen vom Cloudbereich deuten darauf hin die richtige Entscheidung getroffen zu haben. In der IT-Welt haben sich mittlerweile Abomodelle bzw. SaaS Produkte (Software-as-a-Service) nachhaltig etabliert und sorgen bei den Unternehmen für steigende Margen und wiederkehrende Umsätze. Dies konnte man bei vielen großen Softwarekonzernen wie Microsoft oder Adobe beobachten. Die Umstellung von einmaligen Lizenzzahlungen auf Abomodelle haben für einem enormen Wachstumsschub bei Gewinn und Umsatz geführt. Das Geschäftsmodell von SAP ist ebenfalls sehr gut geeignet um durch diesen Ansatz die Erträge zu erhöhen.
Starke Kundenbindung
Das Geschäftsmodell und die dazugehörigen Softwarelösungen von SAP bringen eine sehr starke Kundenbindung mit sich. Die eingesetzte Software ist tief in den Prozessen der Kunden verwurzelt, so dass es nicht ohne weiteres möglich ist den Anbieter zu wechseln. SAP hat sich im Laufe der Jahre einen breiten Kundenstamm aufgebaut, die weiterhin für einen stabilen Cashflow sorgen. In dieser Hinsicht sind Krisen für SAP eher positiv, da in dieser Zeit ein sehr kostspieliger Wechsel für die meisten Kunden ausgeschlossen ist. Mittlerweile sind 80% der Umsätze als wiederkehrende Umsätze zu betrachten. Im Vergleich zum Jahr 2021 konnte hier eine Steigerung von etwa 4% erzielt werden. Außerdem sorgt die Transformation auf cloudbasierte Software zu setzen ebenfalls dafür wiederkehrende Umsätze zu generieren.
Risiken
Komplexität des Systems
Gemeinhin haben SAP Systeme den Ruf teilweise sehr komplex zu sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn es darum geht eine Umstellung von einem anderen System auf SAP durchzuführen. Es existieren eine Reihe von Beispielen wo diese Vorhaben krachend gescheitert sind. Beispielsweise wurde nach 7 Jahren Entwicklungsarbeit die Einführung eines neuen SAP Systems beim Lebensmittelkonzern LIDL abgebrochen. Die entstandenen Kosten bis zu diesem Zeitpunkt lagen bei einer halben Milliarde Euro. Weitere medienwirksam gescheiterte Projekte gab es bei Otto, Haribo oder der Deutschen Bank.
Demnächst könnten diesbezüglich Probleme auf SAP zukommen, da die Wartung vom weit verbreiteten SAP ERP 2027 abläuft. Eine Umstellung auf das neue SAP S/4 HANA könnte viele Kunden aufgrund der hohen Komplexität abschrecken. Im Worst-Case könnte Kunden dies zum Anlass nehmen um SAP den Rücken zu kehren und auf Produkte der Konkurrenz zu setzen.
Migration zur Cloud
Für SAP ist es essentiell wichtig, dass die vielen Bestandskunden den Weg mitgehen und ihre Systeme auf die Cloud umstellen. Dies gilt besonders für die Anwender der aktuellen Betriebssteuerungssoftware S/4HANA. Diese ist ebenfalls in der Cloud lauffähig und Nachfolger des bisherigen Kernprodukts SAP ECC. Aufgrund der eben angedeuteten Komplexität der Software ist dieser Schritt für die Kunden alles andere als einfach. Sollte dies nicht gelingen, sind die langfristigen Ziele den Cloudumsatz auf 22 Mrd.€ bis 2025 zu steigern in Gefahr. Daher sollte in den kommenden Quartalen die Entwicklung der Cloudumsätze genauestens beobachtet werden.
Ist die SAP Aktie ein Kauf?
Fundamentale Bewertung
In den vergangenen Jahren konnte die SAP Aktie gut anhand des bereinigten KGVs bewertet werden. Lediglich zwischen 2017 und 2020 kam es zeitweise zu Übertreibungen zur Oberseite. Das bereinigte KGV lag in der Vergangenheit durchschnittlich bei etwa 19. Aktuell notiert die SAP Aktie bei einem bereinigten KGV von etwa 15,5. Da der Gewinn 2022 etwas niedriger ausfallen soll als im vergangenen Jahr, rechnen Analysten mit einem bereinigten KGV von etwa 18 zum Ende des Jahres. Für die nächsten beiden Jahre sind die Aussichten wieder etwas positiver, so dass sich bis Ende 2024 ein Kurspotential von gut 40% ergäbe. Insgesamt scheint die Aktie momentan fair bewertet zu sein.
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Technische Bewertung
Wochenchart
Lange Zeit kannte die SAP Aktie nur eine Richtung und die war nach oben. In den letzten Jahren hat dieser Aufwärtstrend jedoch ein Ende gefunden. Nach einem Trendbruch auf Wochenbasis im Cornacrash wurde zwar noch ein neues Allzeithoch markiert, aber seit Oktober 2020 sieht es technisch nicht mehr so gut aus. Im Anschluss an den bereits angesprochenen Crash um 25% konnte die Aktie kein neues Allzeithoch mehr erreichen. Nach einer kurzen Erholung ging es weiter abwärts. Aktuell befindet sich der Kurs in einer kritischen Zone. Die Rücksetzer in den vergangenen Jahren fanden stets in der Zone zwischen 82€ und 85€ eine starke Unterstützung. Wird diese Zone nachhaltig unterschritten sieht es düster für die SAP Aktie aus.
Tageschart
Im Tageschart ist zu erkennen, dass die SAP Aktie in der vergangenen Woche auf die eben erwähnte Zone reagiert hat. Damit es wieder positiver aussieht, müsste die Widerstandszone bei etwa 94€ überwunden werden. Damit würde der Abwärtstrend neutralisiert werden und ein weiterer Kursanstieg Richtung 104€ wäre möglich. Auf der Unterseite darf der Aktienkurs nicht unter 82€ zurückfallen. Dies wäre als extrem bearisches Signal wirken und würde weitere Verluste nach sich ziehen. Ein Rücksetzer auf 75 bzw. 65€ wäre dann wahrscheinlich.
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Fazit SAP Aktie
Wie viele andere Unternehmen leidet auch SAP unter dem Ukraine Krieg. Zusätzlich belastet die Umstellung des Geschäfts auf die Cloud, da hier hohe Investitionen getätigt werden mussten. Daher verwundert es nicht, dass die Aktie zuletzt schlecht gelaufen ist und auf dem Niveau von 2018 notiert. Für Investoren könnte die aktuelle Kursschwäche eine interessante Einstiegsgelegenheit bieten. Fundamental scheint die Aktie in etwa fair bewertet zu sein. Aus technischer Sicht wird sich in den nächsten Wochen entscheiden wohin es geht. Wenn der Abwärtstrend gebrochen werden kann, könnte sich ein Einstieg anbieten. Ich persönlich habe SAP in meinem Sparplan und werde wahrscheinlich zeitnah einen kleinen Einmalkauf tätigen. Langfristig bin ich vom Geschäftsmodell überzeugt und glaube das die Transformation gelingen wird.